Ist moderne Technologie Segen oder Fluch, und ist diese Frage überhaupt relevant angesichts der Tatsache, dass sich deren Entwicklung keinesfalls mehr aufhalten lässt? Diese Diskussion herrscht derzeit vor allem auch im Sportbereich, wo neue Systeme zum Tracken von Leistungen, neue Accessoires aber auch neue Kommunikations- und Übertragungstechnologie im Profisport den Konsum von Sportereignissen verändern. Wohin gehen die Trends, wo liegen die Chancen für den Sport, auch in finanzieller Hinsicht, und welche Risiken birgt der Fortschritt, denen rechtzeitig begegnet werden muss?
Moderne Technologie ist aus dem Sport nicht mehr wegzudenken – kein Wunder, immerhin handelt es sich hierbei um eine Milliarden-Industrie, sowohl im Amateur- wie auch im Profibereich. Jeder einzelne Sporttreibende oder Konsument sportlicher Events kommt mit High-Tech in Berührung, sei es bewusst oder unterbewusst.
Technologie im Profisport
Wer heute ein Fußballspiel im Fernsehen verfolgt, hat ein komplett anderes Erlebnis als noch vor zehn Jahren. Dies liegt zum einen an hochauflösenden TV-Geräten, Flachbildschirmen und schnellerer Bildwiederholraten, jedoch auch in der Art und Weise wie sportliche Ereignisse produziert und übermittelt werden. Als Fan daheim der Entscheidung eines Schiedsrichters vertrauen zu müssen, das ist schon lange nicht mehr der Fall. Schlaue Systeme zur Datenverarbeitung erlauben exaktes Replay, inklusive verschiedenster Betrachtungswinkel, dem Einsatz von Drohnen, dynamische Kamerafahrten und Sensoren auf dem Spielfeld. Torliniensensoren sind mittlerweile bei den großen Ligen bereits gang und gebe, etwas umstritten ist derzeit noch VAR-Technologie. VAR steht für „Video Asisstant Referee“ und soll den Schiedsrichter bei der Entscheidung unterstützen. Zahlreiche Videoschiedsrichter analysieren Torschüsse, rote Karten, Foulspiele und Schüsse außerhalb des Spielfelds aus diversen Winkeln – ist ein Schiedsrichter unsicher in der Entscheidung, kann er über ein Mikrofon am Ohr auf diese Auswertungen zugreifen, oder sogar um eine Auszeit bitten, um die Situation am Spielfeldrand auf einem Bildschirm zu analysieren. Einerseits hilfreich, anderseits wird häufig kritisiert, dass diese Technologie die menschliche Entscheidung aus dem Spiel nimmt und zudem bisher nicht im Hinblick auf alle Regeln perfektioniert wurde.
Technologie verändert nicht nur wie wir sportliche Ereignisse auf dem Bildschirm wahrnehmen, sondern auch wo wir sie konsumieren. Streaming-Dienste wie DAZN, ESPN und Sky Sports besitzen mobile Apps und erlauben das Verfolgen wichtiger Ereignisse vom Smartphone aus – von überall und jederzeit. Dies beeinflusst auch den rapiden wachsenden Bereich von Sportwetten erheblich. Die Zeiten von Toto und traditionellen Buchmachern sind vorbei, extrem populär sind mittlerweile Live-Wetten, die über Internetseiten oder Apps ebenfalls vom Handy aus getätigt werden, und das vor allem auch während eines Spiels. So kann man von unterwegs aus Informationen über einen Spieler erhalten oder kurz ins Live-Geschehen schauen, entsprechend schnell reagieren und eine Wette über den verbleibenden Spielverlauf abgeben, zu unterschiedlichsten Ereignissen im Spiel, nicht nur auf dessen Ausgang.
Macht Technologie den Profisport fairer und verhindert Fehlentscheidungen im Wettkampfausgang? Oder verursacht sie stattdessen ein Ungleichgewicht im Sport, wenn die Vorteile einer Mannschaft oftmals mit deren finanziellen Fähigkeit in neue Systeme zu investieren verbunden ist? Deutlich ersichtlich wird dies im Rennsport. Im Bereich Formel 1 werden derzeit ausgeklügelte Technologien entwickelt, die in rasender Geschwindigkeit den Ausgang eines Rennens ermitteln. Sensoren im Rennwagen zeichnen dabei das Verhalten des Fahrers auf und vergleichen es mit vergangenen Fahrten auf der gleichen Strecke, berechnen auf diese Weise den besten Zeitpunkt für den Boxenstopp und Reifenwechsel. Über Cloud-Computing werden Unmengen Daten in Echtzeit verarbeitet und erlauben es den Teams entsprechende Entscheidungen während des Rennens zu treffen.
Auch beim Boxen wird intelligente Technologie verwendet, um beispielsweise Gestik und Mimik eines Athleten zu analysieren und den Ausgang eines Wettkampfs vorherzusagen. Algorithmen ermitteln die Emotionen eines Kämpfers, die Stärke und Genauigkeit seiner Schläge – was wiederum die Chancen auf einen Sieg und sogar die Reaktionen der Fans bestimmt. „Nur so können wir in Zukunft Fans halten“ meint Mato Kochavi, CEO der Sicherheitsfirma AGT International, der sich seit Jahren für die Anwendung dieser Systeme einsetzt.
Doch wird der Profisport dadurch berechenbar und den Fans ein gewisses Maß an Spannung genommen, wenn ihnen derartige Informationen während des Spiels übermittelt werden? Und haben die Vereine und Clubs das Nachsehen, die sich entsprechende Technologie nicht leisten können? Roboclub, Veranstalter der Robogames, geht in seiner Zukunftsvision so weit, bis 2025 Roboter gegen den amtierenden Fußballweltmeister antreten lassen zu wollen.
Zu erwarten ist, dass vor allem im Bereich Virtual Reality und Augmented Reality für das Publikum eine Menge Inventionen auf den Markt kommen. Denkbar ist beispielsweise, dass der Zuschauer im Stadion bald nur seine Handykamera aufs Feld zu richten braucht, um per AR zusätzliche Daten und Informationen zum Spiel zu erhalten. Schon jetzt findet er ohne Hilfe eines Zuweisers per Smartphone seinen Platz oder kann per E-Wallet sein Ticket am Eingang einlesen lassen.
Technologie im Hobbysport
Besonders die vergangenen zwei Jahre haben den Hobbysport technologisch revolutioniert und während der Pandemie vereinfacht. Per App ließ sich bequem von zuhause aus an einer Yogastunde teilnehmen. Verschiedene Lauf-Apps machten das Jogging allein nicht nur durch intelligentes Tracking und ermitteln des persönlichen Fortschritts attraktiver, sondern boten gleichzeitig den Zugriff auf Hörspiele und anderes Unterhaltungsangebot. Die App „Zombie Run“ beispielsweise versetzt den Läufer in eine fiktive Endzeitwelt, in der er während des Joggings vor Zombies flieht und bestimmte Gegenstände sammeln muss, die er dann später im damit verbundenen Browser-Spiel nutzen kann.
Spannende Entwicklungen gibt es auch im Bereich von Wearables wie der Apple Watch. Golfer können beispielsweise durch eingebaute Sensoren im iPhone und in der Smartwatch ihre Aufschlaggeschwindigkeit sowie ihren Bewegungsradius ermitteln und so ihre Fähigkeiten verbessern. Fitbits, Garmins und mehr sind aus dem Amateursport kaum noch wegzudenken und erlauben es auch Vereinen ihre Rennen zu organisieren und die Teilnehmer auf einer App miteinander zu verbinden und zu verfolgen.
Neben Uhren und Smartphones gibt es mittlerweile sogar smarte Wäsche, die relevante Daten zur sportlichen Leistung direkt auf der Haut ermittelt, oder intelligente Schuhe mit Sensoren, die dabei helfen die Körperhaltung bei der Bewegung zu verbessern und so Verletzungen vorzubeugen.
eSport – möglicherweise der wichtigste Sport der Zukunft
Technologie und Sport verbinden sich vor allem auch im eSport, ein Bereich, der sich bald zum wichtigsten Sport weltweit entwickeln könnte, vor allem, weil dort derzeit die lukrativsten Sponsoren und höchsten Preisgelder zu finden sind. Gaming am Bildschirm – mit Videospielen wie FIFA, League of Legends, Fortnite oder Dota – gilt mittlerweile als eigene sportliche Disziplin. Zahlreiche große Fußballvereine, auch in der deutschen Bundesliga, besitzen inzwischen ihr eigenes eSport-Team. Der Wettkampf per Mouse und Keyboard könnte sogar schon bald zur olympischen Disziplin werden – ab diesem Jahr wird eSport bereits zum festen Teil der Asienspiele. Der weltweite Umsatz im eSport 2020 betrug 947 Millionen Dollar, beim größten Turnier der Disziplin „The International 2021“ wurde ein Gesamtpreisgeld von 40 Millionen Dollar vergeben. Beim Superbowl, dem größten Sportereignis der USA, bekam im Vergleich dazu 2021 jedes Mitglied der Siegermannschaft 150.000 US-Dollar ausbezahlt. Bei der EM 2021 lockten der Siegermannschaft 10 Millionen Euro. Und während sich viele Vereine und Clubs infolge zahlloser abgesagter Spiele und leerer Stadien in der Finanzkrise befinden, musste der eSport keine allzu großen Einbußen wegstecken – denn gespielt werden kann hier nicht nur bei einem Live-Event, bei dem die Spieler persönlich gegeneinander antreten, sondern eben ganz bequem „remote“ von jedem Computer der Welt aus.
Keine Frage, Technologie bietet im Sport viele attraktive Möglichkeiten zum Messen der Leistung, attraktiverem Konsum von Sportereignissen und unterstützt auch den Hobbysportler. Gleichzeitig werden viele menschliche Einflüsse von Maschinen ersetzt, wie beispielsweise im Schiedsrichterbereich. Diese Dehumanisierung, wie auch der zunehmende Einfluss der Finanzkraft eines Vereins sind negative Begleiterscheinungen, insgesamt wird Technologie jedoch genutzt, um Entscheidungen im Sport genauer und auch fairer zu machen.